Tabuthema Fehlgeburt: Erfahrungsbericht eines natürlichen Abgangs
Trigger- Warnung: Beim Thema Fehlgeburt handelt es sich um ein sensibles Thema. Bitte lies den Text nur, wenn du dich damit wohl fühlst. Solltest du gerade schwanger sein, empfehle ich dir nicht weiter zu lesen, um unnötige Ängste zu verhindern!
Wichtige Info: Bei diesem Text handelt es sich um meine persönliche Erfahrung. Jeder erlebt und empfindet solch eine Erfahrung anders. Dieser Bericht ist keinesfalls als Rat oder Empfehlung anzusehen und ersetzt keinen Arztbesuch!
Tabuthema: Fehlgeburt
Kaum einer spricht darüber, aber tatsächlich betrifft das Thema Fehlgeburt mehr Frauen als man denkt. Wenn man sich in seinem Umkreis mal umhört, findet man erschreckend viele Frauen, die diese Erfahrung schon durchgemacht haben. Und genau deswegen sollte über dieses Thema mehr gesprochen werden und ein Ende als Tabuthema finden.
Warum ich darüber schreibe? Auch ich habe diese Erfahrung zweimal durchlebt. Zweimal völlig unterschiedlich. Das erste Mal war ich sehr, sehr jung und ungeplant schwanger. Noch bevor ich mich wirklich an den Gedanken gewöhnen konnte, war es auch schon vorbei. Kaum erfuhr ich von der Schwangerschaft, da endete sie auch schon. Ich ging mit leichten Blutungen ins Krankenhaus und nach einer Untersuchung folgte eine Ausschabung. Ich habe kaum noch Erinnerungen daran. Wie gesagt, ich war noch sehr jung. Auch, wenn ich das damals relativ gut verkraftete und mich kaum erinnere, denke ich auch heute noch immer mal wieder an dieses Kind und wie alt es nun wäre und was wohl aus ihm geworden wäre. Ganz vergessen, wird es niemals sein.
Blutungen und fehlender Herzschlag
Die zweite Fehlgeburt ist noch präsenter. Es war meine 5. Schwangerschaft, drei lebende Kinder dazwischen. Wir waren gerade im Urlaub und ich in der 10 SSW. Sobald wir wieder daheim wären, wollte ich die Schwangerschaft bekannt geben, dann hätte ich die 12. SSW erreicht. Doch dann hatte ich immer wieder leichte Blutungen ohne Schmerzen. Ich dachte mir nichts dabei, denn in einer anderen Schwangerschaft hatte ich in der 13. SSW stärkere Blutungen, die ungefährlich waren.
Trotzdem ging ich, zur Sicherheit, und um Urlaub entspannter verbringen zu können, zu einem Frauenarzt vor Ort. Leider war gerade Corona und so musste ich alleine rein. Leider war der Arzt nicht sehr empathisch. Er guckte ein paar Sekunden, rief: „Da, der Herzschlag!“ stockte kurz und es folgte ein: „Oh, doch nicht.“ Scheinbar hatte das kleine Herzchen bereits in der 8 SSW aufgehört zu schlagen. Mein Körper hätte das wohl nur noch nicht bemerkt. Tatsächlich litt ich in der Zeit auch noch an einiger Schwangerschaftsübelkeit und hatte gar nicht mit sowas gerechnet.
Und dann wurde ich recht schnell abgefertigt. Während ich noch versuchte zu verstehen, was mir gerade mitgeteilt wurde, sagte mir der Arzt, ich soll doch erst mal meinen Urlaub genießen und abwarten. Wenn sich bis daheim nichts getan hätte, soll ich ins Krankenhaus zu einer Ausschabung. Ich hätte ja schon drei Kinder und das nächste mal klappts bestimmt. Und dann wurde ich auch schon hinausgeschoben.
Nach der Verdrängung kamen die Fragen und dann die Angst
Mit Tränen in den Augen ging ich zu meinem Mann, der unten wartete. Ich konnte nur den Kopf schütteln, fühlte mich leer und verwirrt. Ich musste nun erst einmal das Gehörte verdauen. Richtig weinen konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Stattdessen hoffte ich, dass der Arzt sich bei dieser Blitzuntersuchung vielleicht geirrt hatte oder sich vielleicht noch ein zweites Kind versteckte. Ich klammerte mich an jeden Strohhalm. Es zu akzeptieren war so schwer.
Und dann kamen die Fragen: Was passiert nun? Muss ich irgendwas beachten? Gibt es Risiken? Ich fühlte mich irgendwie alleingelassen und total hilflos. Nicht zu vergessen, wir waren gerade im Urlaub. Die Kinder wollten bespaßt werden, der Alltag musste normal weiterlaufen. Die Kinder wussten nichts davon und sollten es auch erst einmal nicht erfahren.
Also fing ich an im Internet danach zu suchen, was auf mich zukommen würde. Aber ich fand nur nähere Informationen über eine Ausschabung. Die wenigen Berichte, die ich zu einer natürlichen Fehlgeburt fand, waren nur sehr oberflächig. Nichts half mir dabei herauszufinden, was auf mich zukommen könnte.
Also tat ich das einzig richtige. Als meine Kinder auf in einem Indoorspielplatz tobten, rief ich die Hebamme an, die mich bereits bei den beiden Jungs betreut hatte, und fragte sie um Rat. Sie betreute mich ganz liebevoll und klärte mich darüber auf, was mich erwarten würde und dass ich sofort ins Krankenhaus fahren sollte, falls ich Fieber bekommen würde. Einerseits beruhigte mich das Gespräch, anderseits hatte ich Angst. Wie sollte ich das nur alles durchstehen?
Es wird Zeit loszulassen und dann überwältigte mich der Schmerz
Hinweis: In diesem Abschnitt werde ich die Erfahrung meiner Fehlgeburt näher und ungeschönt beschreiben, so wie ich es erlebt und empfunden habe. Mir ist wichtig, dass es authentisch ist und Frauen helfen kann, herauszufinden, was sie in der gleichen Situation erwarten könnte. Wenn du denkst, dass du das nicht verkraften könntest oder dich das vielleicht ekelt, lies bitte nicht weiter.
Es kann außerdem sein, dass es auf dich etwas emotionslos wirkt. Das war es nicht. Aber es ist meine Art damit umzugehen.
Ganz allmählich begann ich meine Situation zu akzeptieren und verabschiedete mich gedanklich von meinem Kind. Und sobald ich bereit war loszulassen, ging die Fehlgeburt auch los. Zum Glück war dies nachts, keiner außer meinem Mann bekam etwas mit. Aber selbst der schlief mehr, als das er mir beistand … und so machte ich es, wie so oft, mit mir selbst aus.
Ich erwachte mit Schmerzen, heftigen Schmerzen. Durch meine anderen Kinder wusste ich bereits: Das sind nicht einfach nur Schmerzen – es sind Wehen, richtige Wehen. Ich wurde davon überwältigt, denn ich hatte nicht erwartet, dass es so heftig sein würde. Und ich hatte Angst, so ganz alleine. Dank meiner Hebamme verfiel ich aber nicht in Panik. Sie hatte mich vorbereitet, auch, wenn ich die Intensität unterschätzt hatte.
Ich verbrachte viel Zeit auf der Toilette. Aus den leichten Blutungen wurden immer stärkere. Stück für Stück gingen Gewebeteilchen ab, mal größer mal kleiner, begleitet von Wehen. Das Ganze ging über mehrere Stunden. Ich legte mich immer mal wieder ins Bett, weil ich dachte es könnte vorbei sein, aber es waren immer nur kurze Pausen. Tatsächlich tröstete ich sogar noch einen meiner Söhne zwischendurch und begleitete ihn zurück ins Bett und hoffte, dass es schnell vorbei gehen möge.
Zeit sich zu verabschieden
Irgendwann folgte ein Stück Gewebe, das größer war als die vorherigen. Ich betrachtete es und war mir sicher, dass es irgendwo das kleine Wesen in sich verbarg. Mein Baby! Ich suchte nicht danach. Ich weiß es gibt einige, die ihre Fehlgeburt beerdigen. Aber ich war an einem fremden Ort, ich hätte nicht gewusst wie und wo. Und so verabschiedete ich mich von dem Etwas in meiner Hand, das das verbarg, was mein Kind hätte werden können und lies es in die Toilette gleiten. Was du auch immer darüber denken magst – Für mich, war es in diesem Moment das Richtige. Es war noch sooo winzig und ich am Ende.
Nun verstand ich, wieso man eine Fehlgeburt auch „die kleine Geburt“ nennt. Allmählich ließen die Schmerzen nach und ich konnte völlig erschöpft noch etwas schlafen, erleichtert das Schlimmste hinter mir zu haben.
Am nächsten Tag rief ich meine Hebamme an und berichtete ihr über die Nacht. Wie beim Wochenfluss nach der Geburt sollte ich nun erst mal nicht baden, auf Sex verzichten usw. Ich sollte auf Fieber achten oder erneute Schmerzen. Die Blutungen, sollten nicht zu lange anhalten und nicht mehr stärker werden.
Ohne meine Hebamme, hätte ich mich total alleine gelassen gefühlt und ich war sehr dankbar dafür, dass sie für mich da war.
Zurück zu den Lebenden
Die Fehlgeburt passierte ziemlich am Anfang des Urlaubs und die Blutungen ließen tatsächlich immer mehr nach. So konnte ich den Rest des Urlaubs mit meiner Familie noch genießen so gut es ging. Auch, wenn ein Schatten über mir hing, so wollte ich doch, dass meine Kinder eine schöne Zeit verbrachten. Und ich war vor allem dankbar dafür, dass ich nicht ins Krankenhaus hatte gehen müssen.
Wieder daheim ging es dann zur Kontrolle des Schwangerschaftsabbruchs, statt zu dem regulären Schwangerschaftskontrolltermins. Der Arzt war nicht begeistert darüber, dass keine Ausschabung stattgefunden hatte, konnte aber keine im Körper verbliebene Reste feststellen. Auch die zweimalige HCG Kontrolle sagte, dass alles in Ordnung ist. Es fühlte sich trotzdem noch immer komisch an.
Der Arzt sagte, wir sollen die nächste Periode abwarten, bevor wir es wieder versuchen, damit vielleicht doch noch vorhandene Reste mit herausgeschwemmt werden können. Ich muss zugeben, wir hatten uns nicht an diese Empfehlung gehalten und tatsächlich wurde ich direkt im nächsten Zyklus wieder schwanger. Und diese Schwangerschaft ging glücklich aus. Mein Jüngster ist inzwischen schon 2 Jahre alt.
Solltest du dich gerade in derselben Situation wie ich damals befinden und überlegen, ob du eine natürliche Fehlgeburt statt Ausschabung wagen sollst: Bitte unterschätze das nicht und besprich dich gut mit Ärzten und/oder einer Hebamme. Ich hatte Glück, dass bei mir alles gut ging. Man sollte aber wissen, auf was man achten muss und was Alarmsignale sind (wie zum Beispiel Fieber), um sich selbst nicht in Gefahr zu bringen. Hätte der Arzt mir die Wahl selbst überlassen, weiß ich ehrlich gesagt nicht, ob ich so entschieden hätte.
Und da ich niemanden mit diesem Gefühl alleine lassen möchte: Falls du nicht weißt an wen du dich wenden kannst oder was du tun sollst, dir alles Aussichtslos erscheint oder was auch immer: Ich habe eine Liste mit Tipps für dich zusammengestellt, die helfen können eine Fehlgeburt zu verarbeiten.
Liebe Jasmin,
ich danke Dir von Herzen für diesen sehr bewegenden Bericht! Bei mir wurde dieses Jahr beim ersten Ultraschalltermin kein Herzschlag festgestellt (9. Woche, das Kleine war zeitgemäß entwickelt, also vermutlich kurz vorher noch am Leben), und ich erkenne mich in der Schilderung Deiner Gefühlslage unglaublich gut wieder. Für mich war es die erste Fehlgeburt nach zwei erfolgreichen SS’en und ich klammerte mich anfangs wie Du an jeden Strohhalm und holte noch eine Zweit- und Drittmeinung ein. Einen natürlichen Abgang hätte ich mir nicht zugetraut, deshalb lief es am Ende auf eine Ausschabung hinaus. Dass Du den natürlichen Abgang unter den gegebenen Umständen durchgestanden hast, verdient meine allerallergrößte Bewunderung. Du erinnerst mich in Deiner Stärke sehr an meine Mutter. Ich hoffe, Du bist in Deinem Leben von vielen anderen starken und liebevollen Frauen umgeben. Gott segne Deine liebe Hebamme!
LG
Nina
Hallo Nina,
vielen lieben Dank für deinen herzlichen Kommentar und deine eigene Erfahrung. Ich glaube als Mutter verfügt man immer nochmal über eine besondere Stärke, die einen schwierige Situationen durchstehen lässt und die Fähigkeit verleiht, seine Kinder zu beschützen. Ich hoffe, dass es dir gut geht und wünsche dir, dass du schon bald eine erneute Schwangerschaft mit glücklichem Ausgang erleben darfst!
Liebe Grüße
Jasmin